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(Hessische Mundarten und die Flörsheimer Mundart)
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In dieser Rubrik geht es rund um die Flörsheimer Mundart.
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Dies ist die Portalseite rund um das Thema Flörsheimer Mundart.
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== Hessische Mundarten und die Flörsheimer Mundart ==
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== Geschichte und Gegenwart der Mundartdichtung ==
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Geschichte und Gegenwart der Mundartdichtung
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Die Entstehung, der Wandel und die sich ändernde Funktion der deutschen Mundarten, und speziell der ,,rheinfränkisch-hessischen" in Hessen und im Rhein-Main-Gebiet ist die erste oder eine ganz wesentliche Aufgabe der Forschung gerade in Frankfurt. Es waren dazu noch zwei weitere Aufgaben zu nennen.
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Über die [[Geschichte und Gegenwart der Mundartdichtung|Wissenschaft]] hinter der Mundartdichtung referiert Prof. Dr. Ernst Erich Metzner.
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Zum einen muß es um die Erstellung einer Typologie der Mundart literatur nicht nur, aber vor allem aber eben des Rhein-Main-Gebiets gehen. Dabei sollte die Art und erschließbare Funktion des Mundartgebrauchs bzw. die Sicht auf die Mundartsprecher und ihre Beurteilung das wesentliche Kriterium bilden.
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== Koon oone konn ohne oon onnern ==
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Zum anderen ist danach der Versuch einer regionalen Geschichte der Mundartliteratur zu unternehmen. Unter Beiziehung der unabhängig erarbeiteten Typologie ist die Abfolge der Texte eines bestimmten Bereichs in Zusammenhang mit der hochsprachlichen literarischen, geistigen und politischen Entwicklung darzustellen. Dies sollte über die bisher oft geübte bloße Registration hinausgehen und der Mundartliteratur vor dem Hintergrund der deutschen und europäischen gleichzeitigen Szene das geistige Gewicht zumessen, das sie in vielen Fällen hat. Räumliche Basis dürfte nicht nur eine mehr oder minder zufällig abgegrenzte junge politische Einheit wie das heutige Bundesland ,,Hessen" sein, sondern ein durch gemeinsame Mundart konstituierter, als lebendige Verkehrsgemeinschaft empfundener relativ geschlossener Dialektbereich, wie eben etwa der Raum des ,,Südhessischen" im Rhein-Main-Gebiet, das sich auch über Mainz hinaus erstreckt. Es wird sich dabei mit Sicherheit herausstellen, daß die Typologie nicht eine ontologische, sondern eine historische und über das Hessische hinaus gültige ist.
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"Koon oone konn ohne oon onnern oder wie man ein Flerschemer Wörterbuch schreiben könnte" hieß der [[Gesprächsabend|wie man ein Flerschemer Wörterbuch schreiben könnte] mit Hans Jakob Gall und Prof. Dr. Ernst Erich Metzner am 16. März 1911 im Flörsheimer Keller.
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Es gibt deutliche Hinweise auf die historischen Wandlungen, die im übrigen in den verschiedenen Mundarträumen ähnlich ablaufen: So konnte man im Blick zurück auf die vereinzelten Anfänge der Mundartliteratur im 17. und 18. Jahrhundert auch in Hessen zunächst von einer barocken, exotistischen und danach von einer im wesentlichen aufklärerischen, diffamierenden Mundartdichtung sprechen; in letzterer erscheinen die Mundartsprecher zum mindesten als beschränkt und als Gegenstand des Spotts, ganz entsprechend der Einschätzung der Mundart etwa bei Johann Christoph Gottsched und Johann Christoph Adelung als ,,verderbte Sprache". Der Kampf um eine deutsche Hochsprache für die Kulturnation, vergleichbar mit der französischen, absorbiert in diesen beiden Jahrhunderten anscheinend alles literarische Interesse, wenn man von Einzelerscheinungen wie Grimmelshausen absieht, der - mit Rückgriffen auf seine, hessische Heimatmundart - aus dem katholischen Raum heraus publiziert. Noch in biedermeierlich anmutenden Texten späterer Autoren, etwa des Frankfurter Theaterautors Karl Maiss (1792-1848), durfte ein von der Aufklärung ererbtes heimliches Ressentiment gegen die Mundartsprecher erkennbar werden, so sehr auch durch die Possen breitere Schichten angesprochen werden sollen.
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== Textbeispiele fürs Flerschemerische ==
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Die deutsche Romantik um 1800 und später (und teilweise schon die Vorromantik um 1770) mit ihrer Aufwertung des ,,Volks", das im territorial aufgespaltenen Deutschland in besonderem Maß durch Mundartgebrauch gekennzeichnet war, mußte in letzter Konsequenz zu einer Blüte der Mundartdichtung führen, und zwar zu einer rehabilitierenden, sprachlich sehr selektiven, in wesentlichen Elementen der bürgerlichen Ästhetik verpflichteten, weil sie Mundart und Mundartsprecher einem bildungsbürgerlichen Publikum gegenüber aufwerrten wollte. Die Nähe der frühen Romantik zur Aufklärung äußerte sich dann aber auch in dem Eingeständnis erzieherischer Bemühungen, etwa bei dem ersten bedeutenden Mundartdichter Deutschlands Johann Peter Hebel, der 1803 mit seinen ,,Alemannischen Gedichten" unerwartet erfolgreich war und auch Goethes positive Resonanz fand; Goethe hat dann wenig später, zusätzlich angeregt durch Volksliedstrophen aus des Knaben Wunderhorn, selbst einen Mundartliedtext, sein ,,Schweizerlied" verfaßt, kennzeichnender Weise nicht in seiner heimischen Mundart.
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Hans Jakob Gall ist Verfasser der regelmäßigen [[De Honnes|Honnes]]-Kolumne in der [http://87.106.191.66/floersheimer-zeitung Flörsheimer-Zeitung], von denen eine Auswahl als Beispiele für das Flerschemerische eingestellt sind.
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In einer weiteren Phase, der des biedermeierlichen Realismus, bleibt die prinzipiell positive Haltung gegenüber dem ,,Volk" erhalten, aber die n    tische Ernüchterung nach den heitskriegen    machte    mißtrauischer gegenüber aller sprachli cher Beschönigung, vor allem auch gegenüber dem Hochdeutschen als Herrschaftssprache. Die Folge war eine entschiedene Abwertung seiner Sprecher in der Mundartdichtung. Auch die Mundartdichtung wurde prosaischer. Ernst Elias Niebergalls ,,bittere Heimatkunst" [E. Bloch], ,,Des Burschen Heimkehr" (1837) und der ,,Datterich" (1841), ist adäquater Reflex dieser resignativen und gleichwohl wachen Haltung, die - wie der symptomatische eine Titel andeutet - nur in der ,,Heimkehr" aus der großen und weiten Welt der Bildung (in Gießen) ins bürgerliche Genügen im kleinstädtischen, ganz von der Residenz abgewendeten Darmstadt zum wahren Leben finden kann. Nicht zufällig fällt zeitlich etwa zusammen mit der verdeckten Kritik an Herrschaft und Herrschaftssprache bei Niebergall die schonungslose Decouvrierung auch sprachlicher Unterdrückung im ,,Woyzeck" des Darmstädters Georg Büchner.
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== Tonbeispiel fürs Flerschemerische ==
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In einer jüngeren Phase der von der Romantik und vom Biedermeier herkommenden    rhein-mainischen Mundartdichtung , die von den nationalen Hoffnungen des Vormärz geprägt ist, kann die Liebe zum mundart-sprechenden heimischen Volk Hand in Hand mit ebenso sprachlich argumentierenden nationalen Uberzeugungen gehen. Mundart und Hochsprache stehen nicht mehr gegeneinander, sondern nebeneinander, funktional geschieden, so wie in der erhofften Umwälzung das Volk und die Intellektuellen zusammengesehen werden. Der überzeugte Frankfurter 1848er Friedrich Stoltze ist ein interessantes frühes Beispiel für die Vereinbarkeit von Mundartdichtung und politischer Fortschrittlichkeit.
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Honnes und seine Frau, gelesen von Hans Jakob Gall und Renate Mohr, zeigen, wie man das Flerschemerisch spricht.
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Revolutionäre Zeiten waren auch später noch geeignet, rhein-mainische Mundartdichtung von Rang, ja mit erstaunlicher Resonanz in ganz Deutschland, hervorzurufen. Der Bedrohung durch Kapital und Fremdherrschaft im Rheinland antwortete u.a. Carl Zuckmayers ,,Schinderhannes" (1927), der Bedrohung des Volks durch eine als fremd empfundene, hochdeutsch verlogene Kaste ,,Der fröhliche Weinberg" (1925); von beiden Volksstücken laufen deutliche Linien zurück zu Gerhart Hauptmanns naturalistischer Mundartdramatik.
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Einfach anklicken: [[File:Flerschemerisch.ogg|noicon]]
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Mundartdichtung kann sich, wenn sie politisch ist, eigentlich nur ein förderalistisches oder anarchisches Zusammenleben denken - ein zentralistischer Staat wie der nationalsozialistische mußte darum letztlich mundartfeindlich sein oder Mundartdichtung nur als Ausdruck ländlicher archaischer Ressentiments gegen den modernen städtischen und industriellen ,,Ungeist" akzeptieren, so wie sie es schon lange vor dem Nationalsozialismus weithin gewesen war.
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Kein Wunder, daß nach 1945, nach dem Erlebnis der weitgehenden Verführbarkeit der ,,Menschen" wie der ,,Leute" und damit auch der Mundartsprecher, der bis heute weiterlebende romantisch-volksfreundliche Impetus der Mundartliteratur zunächst zu Kompromißformen eines zugleich vorsichtig rehabilitierenden und aufklärenden Textens fand - so etwa in der Schöpfung der ,,Familie Hesselbach". Bald darauf ist die Mundartdichtung zusammen mit der Mundart scheinbar endgültig ins Abseits geraten, zumindest in den größeren Metropolen, wozu nicht zuletzt die modernen Massenmedien beitrugen. Mindestens in internationalen Zentren wie Frankfurt wurde so weithin, wie es scheinen konnte, der ,,Volksmund gestopft", und in kabarettistischer, aber doch symptomatischer Nachkriegs-Verzeichnung feiert man da noch heute das angebliche Ende wirklicher Mundart als ,,die Zerstörung des Volkischen" [Matthias Beltz : ,,Hesselbach hat ausgelacht"]. Nur in Randbezirken und Enklaven, etwa bei der ,,Määnzer Fassenacht", spielte die Mundart zeitweise noch eine bemerkenswerte, wenn auch längst kritisch beleuchtete Rolle.
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Wo Mundartdichtung trotzdem neu einsetzte, nach einzelnen Anfängen deutlich 1968/69 und in den siebziger Jahren, geschah es im wesentlichen im Rückgriff auf auswärtige großstädtische Vorbilder, vor allem auf die Wiener Mundart-Moderne; es geschah mit Betonung großstädtischer, ja bohemienhafter Gestik und mit allfälliger Kritik nicht zuletzt auch an der moralischen und ideologischen ,,Zuruckgebliebenheit" [Martin Walser] des mundartsprechenden Volks selbst. Aus dem Gefühl des Ausgeliefertseins an einen inzwischen als übermächtig empfundenen Staats und ein unmenschliches Kapital argumentierte man aber zunehmend antiautoritär und subversiv und erkannte in der Mundart ein Mittel der sprachlichen Verweigerung und wirkungsvollen Hinterfragung. Kurt Sigel aus Frankfurt hat sich mit der desillusionierten und desillusionierenden Nüchternheit der Mundartsprecher aus den Unterschichten verbündet, um dem ,,Volk" die verlogenen, systemstabilisieren-den Weisheiten, die man ihm langhin erfolgreich beigebracht hatte, im Munde umzudrehen. Das klingt bei einem ursprunglichen Bibelspruch so:
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,,Annern e Grub grawe un selwer net reifalle des is die Rechel“.
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,,Aus de windische Sprich de Wind rauslasse" nennt er das anderswo, in dem Gedicht ,,Gegensprüche", das eine Art rationalistischen Mundart-Zauber erhofft.
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Daneben ist die Wandlung der wieder auflebenden Mundartdichtung ebenfalls im ländlichen Raum zu konstatieren, der aber inzwischen längst einer tiefgreifenden Umgestaltung anheimgefallen war. So wird in ihm neben der nostalgischen Klage zunehmend auch aggressivere Kritik an den Mächten der Moderne hörbar, an de nen das Land ähnlich wie die Stadt leidet, vernehmbar bis in die Strophen moderner    Mundart-Liedermacher hinein. Darin ist sicher direkter oder indirekter EinfluB der modernen städtischen Mundartdichtung zu erkennen, die durch ihre bloße Existenz den drohenden Eindruck relativierte, der mundartsprechende ,,Hinterwäldler" werde unausweichlich zur Anpassung an die einheitliche Sprache der großstädtischen Mittelpunkte und des multinationalen Establishments gezwungen. Insofern erscheint die traditionelle Frontstellung der modernen großstädtischen Dialektliteraten gegenüber den provinziellen bzw. ländlichen mehr und mehr spiegelfechterisch: Die einen leiden wie die anderen an dem, was sie gleichzeitig doch lieben müssen, von Kind an.
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Manchmal geschieht es denn auch, daß die grundsätzliche Gemeinschaft gesehen wird, etwa von Kurt Sigel im Nachwort  zu  seinen  jüngsten ,,Geifer-, Gift- und Suddelversen" (1989), wo er die Mundart des Gebiets fast nur noch als ,,Reservat fur wenige Literaten, romantische Eigenbrötler, Heimatschützer und konservative Sprachpfleger" sieht, die die ,,schöne Leiche mit Hingabe schminken und in die Vitrine legen". Aber steht in der Überschrift ,,Dialekt - schon bald mundtot?" nicht doch ein Fragezeichen, vor der Statuierung des Endes im Text? Und hofft Sigel nicht, durch ,,unbescheidene", aber durchaus bedenkenswerte und jedenfalls konsequente ,,Empfehlungen" zu erreichen, daß künftig die Mundart oder die dialektgefärbte großstädtische Umgangssprache ,,in ihrem Stellenwert gleichberechtigt neben die Hochsprache" zu stehen kommt
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Ehe das geschieht, müsste sich freilich ihm zufolge viel ändern: Unterricht im Dialekt, Dialektausbildung der Lehrer, Dialektsendungen in Rundfunk und Fernsehen, Dialekt in den Zeitungen, ähnlich wie in der Schweiz. Aber das Rhein-Main-Gebiet oder Frankfurt- oder Wiesbaden oder Darmstadt sind nicht politische Einheiten wie die kleine Schweiz, die die Mundart zur Abgrenzung gegen ein fremdgewordenes großes staatliches Gebilde (ge)braucht, und vor allem haben wir im Lande die aufklärerische Obsession, die noch liberal! hinter der Mundart die auszumerzende Heimattümelei, ja das Völkische vermutet. Und so denn auch gleich ein ,,fortschrittlicher" Rezensent zu Sigels Vorschlägen: ,,Da set Gott vor!".
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Also doch nichts mit der Inthronisation des multikulturellen Menschen in unserem Raum, welche die Einsichtigen erhoffen, indem sie auch den provinziellen Mundartgebrauch aufgewertet wissen wollen [Th. Schmid, 1989]? Also doch nichts mit der sich ankündigenden ,,Wiederentdeckung des Selbstverständlichen" [M. Spranger, 1977], das so selbstverständlich doch nicht mehr scheint?
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Man wird sehen; die Wissenschaft wird alles zur Kenntnis nehmen, und wenn es im Rhein-Main-Gebiet geschieht, wohl weiterhin, und mit historischer Hinterfragung, hier in Frankfurt.
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== Flerschemerisch in Wort und Schrift ==
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''Aus dem Vortrag "Koon oone konn ohne oon onnern oder wie man ein Flerschemer Wörterbuch schreiben könnte", Gesprächsabend mit Hans Jakob Gall und Prof. Ernst Erich Metzner am 16. März 1911 im Flörsheimer Keller.''
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Ich gehe davon aus, dass es Menschen gibt, die gerne einmal etwas in „Fler-schemerisch“ schreiben würden, sei es eine Glosse, ein Witz, ein Vortrag oder auch ein Gedicht, dass sie aber eine gewisse Scheu davor haben zu schreiben „wie ihnen der Schnabel gewachsen“ ist, man will sich nicht blamieren.
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Andererseits gibt es Autoren und Autorinnen, die die genannte Scheu nicht haben: sie schreiben lautmalerisch so wie sie meinen, dass ihr Text gelesen und verstan-den werden kann. Und so schreibt jeder sein eigenes Flerschemerisch. Und dies, weil es kein Wörterbuch gibt, aber auch keine Kapazität, keine Autorität, der man folgen möchte. Und so stellt jede und jeder seine eigenen Regeln auf oder verzichtet gar auf das Schreiben.
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Wenn wir zum Motto dieses Abends sagen: „Wie man ein Flerschemer Wörter-buch schreiben könnte“ so möchten wir festhalten, dass wir uns heute Abend kei-ne ungewöhnlichen Wörter aus unserer Flerschemer Mundart – von denen es wahrlich viele gibt, Schleechtbabbeler zum Beispiel oder Labbeduddel – vorneh-men wollen. Dieser Abend soll dazu dienen, einige Regeln aufzustellen, wie man das Flerschemerische schreiben könnte, so als gäbe es dafür ein Wörterbuch.
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Zum Flerschemerischen ganz kurz: Viele Menschen, die in Flörsheim wohnen, kennen und können es nicht, andere so wie ich sprechen es oder versuchen es, aber wir sprechen es unterschiedlich, je nachdem wie lange wir das Flerschemeri-sche in unserer Umgebung pflegen. Wenn man sein Flerschemerisch verschriftli-chen möchte, dann werden sicher Unterschiede erkennbar zu anderen Menschen, die dasselbe tun wollen. Jeder nach seiner Art, jedoch: wir gehen davon aus, dass grundlegende Regeln angewandt werden können, die sich sogar aus der Recht-schreibung der Deutschen Sprache, aus dem Duden, ergeben.
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Denn das Geschriebene soll ja auch gelesen werden. Und schön wäre es, wenn die Lesenden den Text auch verstehen könnten. Da sie aber viele der geschriebe-nen Wörter so noch nicht gesehen und gelesen haben, also dass sie keine Vorla-ge haben, können sie manches nicht einordnen. Und dies, weil beim Schreiben einige Regeln nicht befolgt worden sind.
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Bitte betrachten Sie also unsere Bemühungen heute als den Versuch, ein Wörter-buch anzulegen und die dortigen Regeln für die Verfassung von Texten bereitzu-stellen. Wir halten uns dabei an die Regeln des Duden, der ja für das Hochdeut-sche angibt, wie ein geschriebenes Wort ausgesprochen wird. Mehr wollen wir nicht, wenn es Anklang fände würden wir uns freuen.
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Wenn wir lautmalerisch schreiben wollen, so haben wir im Wesentlichen ein paar Aufgaben zu erfüllen:
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* Vokale als kurz zu kennzeichnen
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* Vokale als lang zu kennzeichnen
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* Die Klangfarbe genauer zu bezeichnen
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* Die Konsonanten genauer zu bezeichnen
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* Die Endungen eines Wortes zu finden
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* Wörter zusammenzusetzen oder auseinander zu schreiben
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und dann kann man auch noch über schwierige Wörter Vereinbarungen treffen
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Beginnen wir mit dem Hochdeutschen, um zu zeigen, was ich sagen will.
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Wir lesen folgende Sätze:
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: Der Weg ist weit.
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: Geh‘ weg!
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Beides ist gleich geschrieben, aber durch den Zusammenhang erkennbar, wie es ausgesprochen wird:
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: Der Weg ...
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: Geh‘ weg!
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Auch bei
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: ob – Lob
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: nach – Nacht
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haben wir keine Schwierigkeiten, die Wörter richtig zu lesen, sie richtig zu betonen und sie zu verstehen.
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Auch Wörter, die unterschiedlich geschrieben, aber gleich ausgesprochen werden
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: Wahl – Wal
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: her – Heer – hehr
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: hast – Hast – hasst
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: bis – Biss
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gibt es durch den Zusammenhang der Wörter im Satz keine Missverständnisse. Denn unsere grammatischen Vor-Kenntnisse helfen uns, den Sinn der Wörter rich-tig einzuordnen.
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Diese Kenntnis haben wir beim ungewohnt geschriebenen Flerschemerisch nicht, wir müssen sie, wenn wir es wollen, uns zuerst durchs Lesen und danach durchs Schreiben aneignen. Ich wiederhole mich: Wenn es aber doch keine Einheitlichkeit gibt, wenn jeder und jede lautmalerisch so schreibt, wie er oder sie es meint richtig zu machen, wenn es keine Übereinkunft gibt, machen wir es uns und den Lesen-den schwer.
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Und nun vom Allgemeinen zum Besonderen: Dafür nehme ich nur zwei Wörter, die ich gelesen habe. Hier geht es nicht darum, zu kritisieren, sondern nur darum, dass Wörter hier so geschrieben worden sind, die an anderer Stelle eben anders geschrieben werden. Die Unsicherheit wird nicht beseitigt, sondern vergrößert.
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Nehmen wir das Wort für den Wirt des Gasthauses zum Hirsch, den wir in unserer Mundart unbeschwert "Herrsch-Werrt" nennen.
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Dieses Wort habe ich auch schon mal in einem Mundart-Text so gelesen:
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: Herschwert, also Her-Schwert!
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Hier hat man nicht nur die Schwierigkeit, wie das Wort aufzuteilen ist, sondern auch zu erkennen, welche Wörter verwendet wurden also
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: Hersch-Wert
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: oder Her-Schwert!
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Man muss sich verständigen darüber, ob man schreibt:
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: Herschwerrt oder Herrschwerrt
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: Es is en Acheblick oder Ess iss enn Aacheblick oder Ees iis een Acheblick.
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und schon sind wir mitten im Thema und beginnen mit den Regeln, die uns Prof. Metzner jetzt vorstellen wird.
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Man kennzeichnet die Kürze des Vokals durch Verdoppelung des nachfolgenden Konsonantenbuchstabens.
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Folgt auf einen Vokal kein Konsonant, ist er lang. folgt nur ein Konsonant, so ist der Vokal kurz oder lang, je nach Bedeutung, folgen mehrere Konsonannten, so ist der Vokal kurz.
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Nehmen wir jetzt das Motto dieses Abends in vorläufiger Schreibung:
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: Kon one kon one on onern
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Diese verschriftlichen Wörter kennen wir nicht. Auch weil wir keine Hilfestellung zum Lesen gegeben haben. Geben wir diese Hilfestellung, dann können wir ver-ständlich schreiben:
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: Koon oone konn ohne oon onnern
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Kon oder Koon, beides kann so geschrieben werden, beides kann dann auch rich-tig gelesen, besser richtig ausgesprochen werden.
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Warum also die Verlängerung des "o" durch Verdoppelung? Um es deutlicher zu machen. Koon mit "oo" kann nicht anders gelesen werden als Koon, one kann mit h nicht anders gelesen werden als ohne, kon/konn, da ist es wieder und jetzt muss ich es unterscheiden, also muss ich den Vokal kurz machen durch Verdoppelung des nachfolgenden Konsonanten.
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Die einfachen Regeln hierfür haben wir bereits genannt:
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Vokale werden kurz ausgesprochen, wenn der nachfolgende Konsonant verdop-pelt ist:
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: konn - onnern - Herr - Werrt - derr - merr
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Der Vokal wird lang ausgesprochen, wenn er verdoppelt wird oder wenn der nach-folgende Konsonant allein steht:
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: her – wert - der
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: aach - Meer
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Und dann gibt’s noch die Verlängerungen z. B. des "i" durch "ie", des "e" durch "h"
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Kommen wir noch einmal auf den "Herrsch-Werrt" zurück. Da ist das Wort "Herrsch" für Hirsch. Wird es mit einem einzigen "r" geschrieben, lässt es sich verstehen, denn das hochdeutsche "Hirsch" ist nicht weit weg. Aber wir meinen, "Herrsch" lässt sich besser lesen.
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In Zusammensetzungen jedoch wird es schwierig, da sehr schnell ein anderer Zusammenhang hergestellt wird; deshalb muss hier ein Bindestrich gesetzt werden
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Hier zum genannten Beispiel:
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: Herschwert
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Hier wären die beiden "e" lang zu lesen, also liest man
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: Her-Schwert oder Hersch-Wert.
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Deshalb nehme ich das Wort "Werrt" für Wirt. Wollte ich "Wert" sagen, müsste ich "wert" schreiben.
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Noch mal die Regeln: Der Vokal "e" wird kurz ausgesprochen, wenn in der Mund-art-Schreibung der nachfolgende Konsonant verdoppelt ist:
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: Herr - Werrt – derr - merr
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: Herr Meier issen derre Werrt, der gefällt merr nitt.
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Der Vokal wird lang ausgesprochen, wenn der nachfolgende Konsonant allein steht:
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: her – wert - der
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: Guck her, dess iss was wert, der guckt noochem Meer
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Wir lernen, dass der Vokal auch durch das Einfügen eines "h" oder Verdoppelung lang ausgesprochen werden muss.
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Dies trifft vor allem für die Vokale "e", "a", "o" zu, aber auch für die Vokale "u" und "i".
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Der einfachste Weg ist aber, die Vokale zu verdoppeln.
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Aach im Gegensatz zum Ach
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: Naa zu Na
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: scheel, weeche, heer (emol uff), deesde,
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: Geechend, Weech
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: Moo doo koo alloo
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: ruucksern (sonst rucksert), Tuursche
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Dann gibt’s noch die Verlängerungen z. B. des "i" durch "ie"
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: Bie, hie, krieh (die Kränk),
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Auch beim Wort "Flerschem" gibt es mehrere Schreibweisen, ich bevorzuge die gebräuchliche Schreibweise wie vor. Ich trenne es in Gedanken in zwei Silben auf: Fler-schem. Hier ist der erste Vokal, das erste "e", lang, denn der nachfolgende Konsonant "r" ist auch in meiner Schreibweise nicht verdoppelt, ebensowenig wie im Hochdeutschen.
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Beim zweiten "e" in –schem trifft zu, dass bei einem nachfolgenden Konsonanten das "e" kurz oder lang gesprochen werden kann. Eigentlich müsste ich deshalb, um es ganz deutlich zu machen, das zweite "e" durch Verdoppelung des "m" verkürzen, aber hier in diesem Falle hilft es uns, dass das Wort "Flerschem" nicht verwechselt werden kann, wie der Weg oder wie weg.
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Kommen wir zu einigen Besonderheiten:
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Ein Hesse kann beim besten Willen nicht ein "r" vor einem Konsonanten sprechen:
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: hart – hatt
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: Karl – Kall
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: Bart – Bad
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Aber es empfielt sich oft, das "r" zu schreiben, weil man die hochdeutsche Schreibung im Sinn hat.
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Das Flerschemerisch ist weich, nur selten wird ein "t" ausgesprochen, vor allem wenn es nicht am Ende steht.
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Beispiele:
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: Disch
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: gedrunke
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: Ende (ein Vogel)
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: gedriwwe
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: Wedder
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: hadde
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: Radde
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: kosde
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: Gadde
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: aber
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: mett
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: Kättche
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: hott
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: kabutt
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aber Hast, das würde ich so stehen lassen anstatt Hasd zu schreiben.
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Zweifelsfälle, die verständlich sind, über die jedoch Einigung erzielt werden muss, um keine Verwechslung zu schaffen:
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: Schobbe/Schoppe
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: Ebbelwoi/Äbbelwoi/Eppelwoi/Äppelwoi
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: geschittelt/geschiddelt
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Dann die verbundenen Wörter:
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: mussde, wollemerr, deesde:
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: Ei wie kimmsde dann doo druff?
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: Was willsde derr vornumme?
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: Unn was glaabder?
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Diese Wörter machen beim Lesen Schwierigkeiten, denn sie sind uns nicht geläufig.
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Manchmal ist es erforderlich, in Annäherung an das Hochdeutsche einen Buch-staben einzufügen oder zu bewahren, der uns auf das hochdeutsche Wort verweist und so eine Verwechslung verhindert:
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: Frieling – Friehling
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: oone – ohne
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Dann gibt es Wörter, die nur schwer zu übertragen sind
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: Arger
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: ärgern
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Dann nehme ich oft einen sprachlichen Umweg in Kauf
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Dann gibt es noch Wörter, die man durch Verdoppelung der Konsonanten nicht verschandeln soll, da sie bereits unmissverständlich sind:
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: ob
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: du
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: vor
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: kalt
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: halt
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: bald
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Besondere Probleme bei allen Texten aus unserem Umfeld macht die Wiedergabe bestimmter Vokale, deren Färbung mit den vorhandenen einfachen Zeichen "a", "e", "i", "o", "u", nicht genau wiederzugeben ist.
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Zum zweiten machen Probleme in unserem Sprachraum die auslaufenden "n" nach einem Vokal in Fällen wie
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: Main, Rhein, dein, Wein = Moo, Rhoi, doi, Woi
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bei der Umsetzung in die Mundart, sodass wir im Flerschemerischen die soge-nannte Nasalierung kaum zu hören bekommen und wir neue Zeichen brauchen.
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Weniger Schwierigkeiten macht ein auslaufendes "n" nach Vokalen; wenn es in einer unbetonten Silbe steht, dann fällt das "n" ganz weg:
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: zwische
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: Rase
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Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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''Hans Jakob Gall''
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== De Honnes - Textbeispiele fürs Flerschemerische ==
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Hans Jakob Gall ist Verfasser der regelmäßigen "Honnes"-Kolumne in der [http://87.106.191.66/floersheimer-zeitung Flörsheimer-Zeitung].
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Hier ist eine Auswahl seiner Texte als Beispiele für das Flerschemerische eingestellt:
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* [[Honnes 283|Nr. 283: "Jed Johr dess Selwe"]]
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* [[Honnes 284|Nr. 284: "So sinn se halt, die Kombjuder"]]
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* [[Honnes 280|Nr. 280: "Was merr so babbelt"]]
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Sie wollen wissen wie das richtig klingt? Hier ist ein Beispiel - Honnes und seine Frau, gelesen von Hans Jakob Gall und Renate Mohr - einfach anklicken:
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[[File:Flerschemerisch.ogg|noicon]]
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Version vom 4. September 2011, 20:58 Uhr

Dies ist die Portalseite rund um das Thema Flörsheimer Mundart.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Gegenwart der Mundartdichtung

Über die Wissenschaft hinter der Mundartdichtung referiert Prof. Dr. Ernst Erich Metzner.

Koon oone konn ohne oon onnern

"Koon oone konn ohne oon onnern oder wie man ein Flerschemer Wörterbuch schreiben könnte" hieß der [[Gesprächsabend|wie man ein Flerschemer Wörterbuch schreiben könnte] mit Hans Jakob Gall und Prof. Dr. Ernst Erich Metzner am 16. März 1911 im Flörsheimer Keller.

Textbeispiele fürs Flerschemerische

Hans Jakob Gall ist Verfasser der regelmäßigen Honnes-Kolumne in der Flörsheimer-Zeitung, von denen eine Auswahl als Beispiele für das Flerschemerische eingestellt sind.

Tonbeispiel fürs Flerschemerische

Honnes und seine Frau, gelesen von Hans Jakob Gall und Renate Mohr, zeigen, wie man das Flerschemerisch spricht.

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